Rosa Perutz bei: Gegen Ohne Für – Kunst, Avantgarde und gesellschaftliche Emanzipation

Auf Einladung der Hamburger Gruppe Kritikmaximierung stellte Rosa Perutz am 19.09.09 in der Roten Flora sich und einige ihrer Positionen vor. Einen Mitschnitt der Veranstaltung findet sich hier:

http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=29922
oder – mit Jingles:
http://www.kritikmaximierung.de/radio/

Rosas Text in schriftlicher Form gibt es nach diesem Link. Er fasst den aktuellen Status und Fokus des Netzwerks gut zusammen.

Rosa Perutz – eine antinationale Organisierung in der Kunst

Rosa Perutz befindet sich seit Herbst 2008 in gründung  als antinationaler Zusammenschluss von produzentinnen und produzenten in Kunst und Kultur.

Die Organisierung konzentriert sich zum jetzigen Zeitpunkt wesentlich auf zwei Punkte:

– auf die Veränderungen der Arbeitsverhältnisse künstlerischer Produktion vor allem im Hinblick auf die sogenannte „öffentliche“ also die staatliche und nationale Förderung und institutionelle Kulturpolitik
– auf die Rolle, die Kulturproduzentinnen innerhalb dessen spielen, was wir als die „Kulturalisierung des deutschen Nationalismus“ bezeichnen und was wir gleichzeitig versuchen näher zu bestimmen.

Innerhalb von Rosa sind Arbeitsgruppen in Gründung, die die bisher aufgeworfenen Fragen und Thesen auf die bereiche Film, Creative Industries und elektronische Musik ausweiten.

Die Kernthesen beziehen sich auf die Grundannahme, dass es in einem bestimmtem Feld, also auch im Feld, das wir als Hochkultur identifizieren, Kämpfe gibt, die es wert sind geführt zu werden. Wir sind linksradikale, wir sind Künstlerinnen, wir stellen unser Begehren künstlerisch zu produzieren und damit immer selbst auch Teil jenes Feldes zu werden, nicht zur Disposition und plädieren damit gegen den Rückzug aus der herrschenden Hochkultur zugunsten einer vermeintlich politischeren, saubereren, oder integereren Sub- Kiez- oder Nischenkultur. Der Kampf gegen die Hochkultur kann nur in ihr stattfinden. Für Rosa Perutz ist er durchzogen von folgenden ideologischen Grundfiguren:

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Die Idee der Hochkultur ist sowohl in ihrer historischen Entstehung als auch in dem gros ihrer gegenwärtigen Funktion eine Nationale.
Sie ist eine ideologische Formation, die im je nationalen Kontext die ‚eigene’ Kultur als Überlegenheit formuliert und das sowohl in Abgrenzung nach ‚Aussen‘ als auch nach ‚Innen‘. Hochkultur ist Kultur der Herrschaft.

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Deutschland hat sich gerade in diesem Zusammenhang historisch stets hervorgetan als Land, in dem im Gegensatz zu Großbritannien oder den USA, die Massenkultur immer als Abfallprodukt der Hochkultur galt. Die Hochkultur dagegen galt schon immer als nationale Wesensschau und wird gerade jetzt im Jubiläumsjahr 2009 wieder als identitätsstiftendes Merkmal inszeniert.

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Was sich in der Gegenwart verändert hat, ist nicht der nationale, hochkulturelle Dünkel, sondern der Modus in dem diese identitätsbildende Funktion der Hochkultur artikuliert wird. Nicht das DASS, sondern das WIE die Hochkultur Staat und Nation formuliert hat sich verändert.

Zum einen funktioniert Hochkultur heute in Deutschland nicht neben, sondern ALS Massenkultur.
Die Bundesrepublik ist eben nicht nur «Wirtschafts-» oder «Fußballwunderland», sagt der Chefredakteur der«Bildzeitung- Kai Diekmann, sondern «vor allem auch ein „Kunstwunderland“.

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Die Marktbedingungen dieser Hochkultur, und das ist für Kulturproduzentinnen entscheidend, werden durch die staatliche Förderung und den Kunstmarkt bestimmt. Der Kunstmarkt, wurde in der Vergangenheit  in mehreren Wellen zu recht zum Ziel des Angriffes von Kulturproduzentinnen. Die staatliche Förderung und ihre Institutionen dagegen wurden in der Vergangenheit eher zu einem freundlichen  Begleiter der eigenen Emanzipation idealisiert oder zumindest die „verstaatung“ von lokaler Förderung, Kunstakademie oder kleinem Kunstverein einfach für nicht so schlimm erachtet oder sogar als Erfolg gegen den Markt verbucht. Aber Staat und Kapital existieren mit- und durcheinander, auch in der Kunst.

5 In der staatlichen Förderung der Hochkultur hat sich die Bundeskulturstiftung (sie sollte ursprünglich Nationalstiftung der Künste heißen) seit ihrer Gründung 2002 als Produktionsmaschinerie einer kulturalisierten Kritik erwiesen. Sie funktioniert als finanzielle Fluchtperspektive all derer, die auf dem Markt nicht bestehen wollen und entwickelte sich so zu einem Zentrum kritischer, künstlerischer Positionen. Sie hat abgekoppelt von den vormals eigenständigen Organisationszusammenhängen der 1990er, eine Sparte staatlich geförderter Kritik entstehen lassen, deren Organisierung nun durch ihre Finanzierung vermittelt wird.

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Hieraus entsteht eine Reihe von Problemen für künstlerische Selbstorganisierung – für eine Organisierung, die diesen Rahmen nicht akzeptieren will. Es geht dabei nicht um moralische Verwerflichkeiten, sondern um praktische Verhinderungen. Eine Zentrierung kritischer Positionen um die Töpfe städtischer, regionaler und nationalstaatlicher Förderungen, erschafft eine Kritik die sich nurmehr in sich selbst weiterentwickelt, da ihre Strukturen von der Förderung begrenzt sind. Gerade die Bundeskulturstiftung hat sich als extrem nachhaltig darin erweisen, nicht nur eine national geförderte Kritiksparte zu erschaffen, sondern in dieser kritische Künstler als ewige Projektarbeiterinnen zu binden, deren Selbstorganisierung sich nun nicht unwesentlich an den Förderungsmöglichkeiten ausrichtet. Politische Kunst wird weichgefördert.

Vor der Folie eines erstarkenden Deutschlands, das sich militärisch, wirtschaftlich und eben auch kulturell immer stärker ähm „engangiert“, gleichzeitig aber sich als exportweltmeister von humanismus, menschenrechten und -ganz wichtig- erinnerung gibt, also mithilfe von Figuren seine Expansion legitimiert, die historisch mit dem Modus der Kritik assoziiert werden, beobachten wir, dass  gerade innerhalb der letzten Jahre reformulierte nationale Anforderungen an die ‚deutsche‘ Kulturproduktion gestellt werden:

Im Goethe Institut, im Humboldt-Preussenschloss, bei der Bundeskulturstiftung, der documenta und sogar in austellungen, die als künstlerisches äquivalent zur „du bist deutschland“ -kampagne gelten könnten -wie „vertrautes terrain kunst in und über deutschland“ oder „kunst und kalter krieg. Kunst im geteilten Deutschland“, in all diesen Institutionen und Austellungen gilt: Der Wert einer künstlerischen Posititon  wird  an ihrer Fähigkeit zur Artikulierung von Kritik gemessen.

In all jenen Projekten  stehen die kritischen Kulturproduzentinnen nicht einfach nur für die von ihnen vertretene Kritik, sondern auch für eine imaginierte Kritikfähigkeit eines ganzen Landes, die Ihnen im Sinne des nationalen Projektes einer „geläuterten“ Nation der Dichter und Denker untergeschoben wird. Wir sehen hier die Kulturproduzentinnen in der Rolle von Vorzeigesubjekten eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens was wir als  „kritischen Nationalismus“ bezeichnen und dessen identistätsstiftender Moment eine „kulturalisierte Kritik“ ist. Was wir aufziehen sehen und mit möglichst vielen Kulturproduzentinnen diskutieren  und bekämpfen wollen ist ein kulturalisierter Nationalismus im Modus der Kritik.

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Die Behauptung von radikaler Politizität innerhalb der bürgerlichen Kunstinstitution wird vor diesem Hintergrund nicht nur zum folgenlosen Spiel mit Formeln der Repräsentation, sondern auch noch zum Ausweis eines zeitgemäßen guten wahren schönen deutschen. Die Topographie zwischen der Staatskritik und dem Kunstmarkt aber verhindert vor allem eine Rekonstruktion des Ganzen – des Zusammenhangs zwischen Markt und Förderung.
Rosa Perutz richtet sich auf die Rekonstruktion des Zusammenhangs dieser beiden Felder. Denn auch in der Kunst liegt eine radikale Praxis nur in dem Zusammenhang, den Staat und Kapital bilden. Den Markt zu ignorieren, weil man staatlich gefördert Kritik betreiben kann, blendet aus, welche Funktion die eigene Produktion für das gewaltsame weiterbestehen dieser Nation hat, Die Nation zu ignorieren, weil man auf die Internationalisierung des Marktes zählt, affirmiert lediglich das eigene Privileg, als Intellektueller oder Künstler dem nationalen Kontext im globalisierten Lebensstil zu entkommen. Nation und Kapital sind keine selbstgewählten Zusammenhänge – sondern Zwangsgemeinschaften.

Rosa also sitzt hier um für eine aktualisierte Selbstorganisierung von Produzentinnen gegen diese Totalität zu streiten, einer breiten und verbindlichen Organisierung, die die Vereinnahmung und Indienstnahme kritischer Positionen nicht nur für den Markt, sondern  vor allem für Staat und Nation mitdenkt und darin solidarisch, statt moralisch handelt. Der Rückzug in die Subkultur als blosse Verweigerungshaltung organisiert  lediglich eine Selbstmarginalisierung: politische unzuständigkeit ausserhalb der eigenen Szene und eine negative Verallgemeinerung aller kulturellen Produktion zur Frage der Reinheit von ihrer Welt.

Wie der Titel dieser Veranstaltung nah dran am Duktus des Dada und trotzdem auf dem Punkt: wir stehen In der Realität gegen die Realität für die Mittel der Kultur gegen die Zwecke der Kultur. Und das ohne den neuen alten Nationalscheiss bitte.