Aufruf


MAX KLEBB – collectivizing antinational refusal

Dies ist ein Aufruf zur gemeinsamen Absage an die Kulturnation Deutschland und ein Aufruf zu einer Debatte im Angesicht der aktuellen Renationalisierung der Kunstpolitik.
Im Kielwasser sportlicher Events wie der Fussballweltmeisterschaft, katalysiert durch die großen zivilgesellschaftlichen Deutschland-Imagekampagnen und flankiert von allgegenwärtigem Nation-Branding, wurde in den vergangenen Jahren auf allen Sendern, Servern und Sälen ein neues Nationalgefühl beschworen. War das letzte Jahrzehnt bestimmt von der sozialdemokratischen nd grünen nationalmoralischen Klage, hat die große Koalition nun deren Früchte ernten können: wir sind Deutschland, wir sind wieder wer, wir sind Weltmeister der Herzen.
Diese Entwicklung konnten alle, die nicht auf dem schwarz-rot-gelben Auge blind sind, mitverfolgen; und doch entstand hieraus kaum eine gemeinsame Praxis, sondern meist nicht mehr als die selbstzufriedene, klassenbewusst-bürgerliche Absage an eine Massenkultur, die man auf Fanmeilen und im Fernsehen verortete.

Im Feld der Hochkultur gab man sich hingegen betont international und durchglobalisiert. Der Kunstmarkt schwärmt von der internationalen Künstlerboheme in der neuen Kunstwelthauptstadt Berlin und Kultur „made in germany“ wird als Qualitätsprodukt in alle Welt exportiert.
Die Aufmerksamkeit für Kunst aus Deutschland wurde begleitet von einer Flut von „Deutschland-Ausstellungen“. Sei es die die Kunst als Standortfaktor setzende „Made in Germany“ in Hannover 2007, die erinnerungspolitisch montierte „German Angst“ im Berliner n.b.k 2008 oder zuletzt die neoliberal größenwahnsinnige Ausstellung „Vertrautes Terrain – Kunst in und über Deutschland’ im ZKM Karlsruhe 2008. Ihnen allen ist gemeinsam, dass es sich nicht länger um Markus Lüppertz` protofaschistische Stahlhelme und Spargelbeete oder um Anselm Kiefers Hermannsschlachten dreht.

Kiefer mag den Friedenspreis bekommen haben –, anstelle des plumpen Repräsentations-Nationalismus aber tritt längst ein neuer, scheinbar zeitgemäßer Nationalismus: kritische künstlerische Positionen unter dem nationalen Motto der geläuterten Nation. „Vertrautes Terrain“ markiert hier einen neuen Maßstab. Die Kritik an der nationalen Geschichte wird zu ihrem entscheidendem Standortfaktor. Die Ausstellung verfolgt dieselbe Strategie wie die offizielle Kulturpolitik Deutschlands. Hochkultur wird als kritische Vorreiterin eingesetzt, als Ausweis der eigenen Reflexivität und doch bleibt an ihr einzig der nationale Bezug entscheidend.

Dies ist der Grund, warum wir Euch anschreiben: weil wir Eure Praxis kennen und sie mit Euch diskutieren wollen. Einen fest umgrenzten Personenkreis. Auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ausstellung „Vertrautes Terrain“, denn wir möchten statt einer moralisch rigorosen Dagegen-und-Dabei-Logik, eine solidarische Kritik und verbindliche Diskussion zwischen Künstlerinnen und Künstlern ermöglichen, die sich und ihre Arbeit in einem antinationalen Kontext situieren wollen. Es geht uns nicht um die Herstellung einer Bürgerinitiative, sondern es gilt, der nationalen Repräsentation von Kunst sowie jeder Konstruktion einer nationalen Kultur oder gar einer deutschen Nationalkultur kollektiv entgegenzutreten. Dabei geht es
uns um die Herstellung eines losen Zusammenhangs mit einer verbindlichen Diskussion. Wir möchten keine neue politische Gruppe gründen, sondern Produzentinnen und Produzenten in einer Debatte miteinander verbinden, deren gemeinsame Positionierung mehr Schlagkraft hervorbringen kann als lose geführte Diskussionen, sporadische Absagen und Verweigerungen, der individuelle Ekel oder die vereinzelten Interventionen.
Wir haben uns als Gruppe mit dem Namen Max Klebb* gegründet, um Anfang nächsten Jahres im Februar ein gemeinsames Treffen zu organisieren, bei dem Gruppen oder Einzelpersonen ihre Positionen in knappen Statements vorstellen werden: als Redebeitrag, als Diavortrag, Videobotschaft, Filmschnipsel, Publikumsbeschimpfung oder Marionettentheater. Wir stellen uns dieses Treffen als halböffentliches vor, so dass Freunde, Bekannte und Interessierte teilnehmen können, und trotz dieser Vertraulichkeit der Rahmen für die Formulierung einer radikalen Absage an die Nation gewährleistet ist.

Weiter würden wir uns den Anschluss einer entstehenden Debatte an politische Kampagnen in 2009 wünschen. Es ist eines der Ziele dieser Initiative, einen Kontext herzustellen, in dem wir gemeinsam schnell und regional auf mögliche, zur Zeit noch nicht absehbare Kampagnen und Ereignisse des Gedenkjahres, aber auch auf Kulturveranstaltungen oder Ausstellungen reagieren können.

Angehängt findet ihr einen Text, der für eine Podiumsdiskussion gegen die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit 2008 in Hamburg entstanden ist und in veränderter Fassung in der Zeitung chto delat? veröffentlicht wurde. Wir hoffen, Ihr könnt einen ersten Eindruck von den zentralen Punkten unserer Diskussion gewinnen, auch wenn Teile des Textes sich sehr auf die Stoßrichtung der Publikation „When Artists Struggle Together“ beziehen. Wir würden uns über eine erste Rückmeldung eurerseits an die Adresse
max.klebb@gmx.net freuen. Eine Liste der Beteiligten und Interessierten würden wir nach Eurer Antwort an alle  herumschicken und auf Eure Ergänzungen hoffen. Für uns macht es Sinn, zunächst diejenigen anzusprechen, von denen wir glauben, dass sie eine Position gegen die Nation einzunehmen bereit sind, später wollen wir die Debatte öffnen und in ein breiteres Kunstfeld hineintragen.

MAX KLEBB
(* Max Klebb lebt und arbeitet in Berlin. Er ist der ungeborene Sohn von Max Perutz, eines exilierten Glaziologen, der im zweiten Weltkrieg einen unsinkbaren Flugzeugträger aus Eis gegen Nazideutschland konstruieren wollte, und Rosa Klebb, der russischen Agentin des SPECTRE, die hinter James Bond mit einem tödlichen Stöckelschuh in Europa umgeht.

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