Max Klebb ist tot.

Die nachfolgenden Thesen wurden am 21.02.09 von den Mitgliedern von Max Klebb vorgestellt.

Max Klebb, der verlorene Sohn des exilierten Glaciologen Max Perutz und der russischen Agentin des Spectre, Rosa Klebb, bestand zur Gründung und Herstellung eines Zusammenhangs zur antinationalen  Kollektivierung in der Kunst. Max Klebb war kein Organisationskern, dem man sich anschliessen kann, sondern ein Vorläufer, ein Anfang. Heute nun möchten wir mit Euch zusammen Rosa Perutz erscheinen lassen, die Zwillingsschwester von Max Klebb, mit der wir hier im Raum ein Waffenarsenal zum Angriff auf den Nationalismus aufstellen wollen. Gemeinsam mit Euch wollen wir über die Herstellung eines Zusammenhangs diskutieren, der keine wöchentliche politische Kaderorganisation und auch kein dauerbespamter Emailverteiler ist, sondern nach alternativen Möglichkeiten einer Praxis sucht.

Wir beginnen daher mit einem kurzen Nachruf auf Max Klebb.

Als Vorläuferorganisation Max Klebb ging es uns um die Konfrontation eines doppelten Problemfeldes:

1) das nationale Blickfeld:
was für nationale Übernahmestrategien richten sich auf die eigene Praxis. Was ist die Struktur der Ehrung, der es hier zu entfliehen gilt?

2) die künstlerischen Weihen:
Was ist faul an der Kunst selbst? Was ist das Problem daran, sich überhaupt grenzenlos positiv auf die Weihen der Künste zu beziehen?

Wie können wir eine Diskussion anlaufen lassen, die sich fragt, wie man eine Frontstellung gegen Deutschlands Kulturnationalismus und seine Jubiläumsserien 2009 herstellt, ohne gleichzeitig in die vollständige Defensive zu verfallen und sich in der Reaktion zu verschanzen? Wie können wir gleichzeitig über Möglichkeiten einer gemeinsamen Praxis nachdenken, die über den anstehenden Jubiläumstaumel 2009 hinausreicht?
In diesem Jahr setzt sich die Serie von Ausstellungs- und anderen Kulturprojekten fort, die den sentimentalen Blick auf die Nation einüben, deren Vorläufer wir schon in den vorangegangenen Texten auseinandergenommen haben: 2004 „Deutschland sucht“ im Kölnischer Kunstverein, „Made in Germany“ in Hannover 2007, „Vertrautes Terrain – Kunst in und über Deutschland’ im zkm Karlsruhe 2008, „German Angst“ im Berliner NBK (2008). Im April eröffnete im Martin-Gropius-Bau 60 Jahre – 60 Bilder und die Bundeskulturstiftung hat einen ganzen Fokus über unterschiedliche Kunstbereiche unter der Überschrift „Deutschland 2009“ gespannt, unter dem es unter anderem ein Geschichtsforum geben wird, ein Theaterprojekt mit dem Namen „60 Jahre Deutschland – Annäherung an eine unbehagliche Identität“ und die große Ausstellung: „Kunst und Kalter Krieg: Deutsche Positionen 1945 – 1989“ von Stephanie Barron und Eckhardt Gillen, die Ende Mai im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg eröffnen und am 3.Oktober ins DHM nach Berlin wandern wird. Kunstgeschichte als Nationalgeschichte.

Auch die nationale Eventkultur bleibt nicht aus und ist auf www.mauerfall09.de zu bewundern.
Für Max Klebb sind in diesem Angriffsfeld zwei Zusammenhänge zentral:

a) die Rolle der Hochkultur als Massenkultur in der nationalen Kulturlandschaft zwischen staatlicher Förderung und Markt

und

b) die Individualisierungsmechanismen in ihrer Funktion für die nationale Standortpolitik

Zu beiden Punkten möchten wir einige Thesen vorschlagen:

Hochkultur als Massenkultur

1 Die Idee der Hochkultur ist eine nationale. Sie ist eine ideologische Formation, die im nationalen Kontext die ‚eigene’ Kultur als Überlegenheit formuliert. Hochkultur ist Kultur der Herrschaft.

2 Deutschland hat sich gerade in diesem Zusammenhang historisch stets hervorgetan als Land, in de etwa im Gegensatz zu Großbritannien oder den USA die Massenkultur stets als Abfallprodukt der Hochkultur galt. Deutsche Kultur sollte stets eine Speerspitze der bürgerlichen Bildung sein.

3 Was sich heute verändert hat, ist nicht der national hochkulturelle Dünkel, sondern die identitätsbildende Funktion der Hochkultur. Hochkultur funktioniert heute in Deutschland als Massenkultur. Sie bereitet die Überlegenheit deutscher Kultur als Eventcharakter mit nationaler Emblematik auf. Nationale Vergemeinschaftung und kapitalistischer Verwertungszwang im Schulterschluss. Die Eckhardt-Gillen-Ausstellung findet eben im DHM statt, und gerade nicht in der Nationalgalerie. Die Museumsinsel wird zum nationalen Themenpark. Peter Klaus Schuster exportiert die deutsche Museumslandschaft im Kleide eines touristisch massenwirksamen Bildungsauftrags.

4 Die Marktbedingungen dieser Hochkultur werden in erster Linie durch die staatliche Förderung der Künste aufrecht erhalten und erzeugt, die in Deutschland nach 1945 in die Verfassung eingeschrieben worden ist. Die staatlichen Strukturen reproduzieren die Hochkultur als selbst erschaffenen Sektor der künstlerischen Produktion als Staatskunst, deren Alternative lediglich der Kunstmarkt ist.

5 Die Bundeskulturstiftung hat sich  als Produktionsmaschinerie einer kulturalisierten Kritik erwiesen. Als finanzielle Fluchtperspektive all derer, die auf dem Markt nicht bestehen können, entwickelte sie sich zu einem Zentrum kritischen Positionen, die von ihren eigenständigen Organisationszusammenhängen abgekoppelt werden und eine Sparte staatlich geförderter Kritik enstehen lassen.

6 Hieraus entsteht eine Reihe von Problemen für die eigene Organisierung außerhalb dieses Rahmens. Und dabei geht es nicht um moralische Verwerflichkeiten sondern um praktische Verhinderungen. Eine Zentrierung kritischer Positionen um die Töpfe nationalstaatlicher Förderungen erschafft einen kritischen Nationalismus, eine Kritik die sich nurmehr in sich weiterentwickelt, da ihre Strukturen von der Förderung begrenzt sind.

7 Die Überlebensstrategie innerhalb der staatlich organisierten Marktflucht bietet keinen Ort der Organisierung. Die Topographie zwischen Kunstmarkt und Staatskritik verhindert eine Rekonstruktion des Ganzen – des Zusammenhangs zwischen Markt und Förderung.
Unsere Suche richtet sich auf den Zusammenhang der beiden Felder, auf die Versuche, die Bedingungen zu benennen, für eine mehr als nur denunziatorische Position.

Individualisierungsmechanismen und Standortsubjektivismus

1 Die Frage stellt sich auch umgekehrt. Nicht nur – was ist die Rolle der nationalen Struktur in der künstlerischen Produktion, sondern auch umgekehrt. Was ist die Rolle der künstlerischen ProduzentInnen? Welche Funktion wird ihnen zugedacht und was sind ihre Bewegungsspielräume in diesem Bild?

2 Gerade innerhalb bereits benannten Ausstellungen und vorbildlich exemplifiziert sowohl von ‚Vertrautes Terrain’ als auch von  Atelier-Ausflügen in die Wunderkammern deutscher Künstler, die von „Made in Germany“ veranstaltet worden sind, ist Individualisierung zu einer zentralen Spielmarke nationaler Standortbestimmung geworden. Das Individuelle, die Differenz, das persönliche Moment sind es, die zum nationalen Gefühl umgedeutet werden. Das Individuum wird als Kern der deutschen Selbstbestimmung angegeben und schafft so einen umfassenden Einschlussmechanismus.

3 In ‚Vertrautes Terrain’ wurden über 300 Künstlerinnen und Künstler, gemischt mit deutschen Großsammlern und allerlei angewandter künstlerischer Produktion, als ideelle deutsche Gesamtseele vorgestellt. Gerade kritische Positionen waren hier willkommen, denn es sollte um die Differenz gehen, die sich um ein ein starkes Zentrum dreht: die deutsche Nation. Im Einleitungstext lies sich lesen, dass nur die Nation stark ist, die sich selbst kritisiert. Die kritische Künstlerin wird so zum Paradesubjekt der geläuterten Nation.

4 Die Funktion der künstlerischen Positionen wird die eines individuellen Appells, einer Vorzeigesubjektivierung. Der individuelle Appell – dessen Inhalt fast gleichgültig wird – wird dadurch national vernehmbar, dass er in eine kollektive Antwort umgesetzt wird. In der Einzelposition und deren Ausdruck antwortet stets bereits das Kollektiv.

5 Das KünstlerInnensubjekt, das historisch immer das Paradesubjekt einer bürgerlich romantischen Vorstellung von ausdrucksstarker und in sich gekehrter Individualität war, kommt hier in der nationalen Praxis der Hochkultur als nationale Massenkultur erneut zum Zug. Das hochkulturelle Künstlersubjekt dient als massenkulturelles Erkennungsemblem einer Subjektivität, die sonst niemand mehr erfüllen kann. Beispielhaft in ‚Vertrautes Terrain’ übernehmen Künstler die undankbare Position des ideellen Subjektivismus, der in der Repräsentation des Nationalen gefangen bleibt.

6 Hieran knüpfen sich Versprechungen künstlerischen Überlebens, sowohl auf dem Markt – als Alleinstellungsmerkmal der Handschrift – wie auch innerhalb der Förderungsstrukturen – als Handschrift der Recherche, der Kritik. Was bleibt ist die Isolierung der Produzentinnen.

7 Hier stellt sich die praktische Frage nach der Durchbrechung dieser Eremitenrolle. Wie stellen sich diese Mechanismen in unserem eigenen Bewegungsradius dar? Was treibt die Individualisierung im kritischen Kunstfeld mit uns? Und wie lässt sich über sie hinausgehen?

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